Aufgabe
Die skizzierte rotationssymmetrisch belastet und
gelagerte Kreisringplatte ist am Innenrand starr eingespannt
und am Außenrand frei. Sie trägt die konstante Flächenlast
p0. Zu berechnen sind
die Durchbiegung
w(r) und die
Schnittgrößenverläufe
mr(r) und
qr(r).
Gegeben: ri = 1000 mm ;
ra = 3000 mm ;
t = 30 mm ;
p0 = 0,004 N/mm2 ;
E = 2,1·105 N/mm2 ;
ν = 0,3 .
Lösung
Die Verformung wird durch die
Eulersche Differenzialgleichung
beschrieben. Auf der Seite
"Rotationssymmetrische Kreis- und Kreisringplatten"
wird die
Lösung der zugehörigen homogenen Differenzialgleichung
ausführlich beschrieben, für das
Finden einer Partikulärlösung der inhomogenen Differenzialgleichung
wird ein zuverlässiger
Algorithmus vorgestellt.
Als Beispiel wird dort die
konstante Flächenlast behandelt, so dass die
komplette allgemeine Lösung für das hier behandelte Beispiel
aufgeschrieben werden kann:
Auch die sich daraus ergebenden Beziehungen für die erste Ableitung
und die beiden Schnittgrößen, die für das Aufschreiben der Randbedingungen
benötigt werden, können
von dieser Seite
übernommen werden:
Mit Hilfe der Randbedingungen "Verschiebung und 1. Ableitung am eingespannten
Innenrad gleich Null" und "Biegemoment und Querkraft am freien
Außenrand gleich Null" können die vier Integrationskonstanten berechnet
werden (für die Bezugsgröße
a im Nenner
des Arguments des natürlichen Logarithmus wird willkürlich
a = ra gesetzt):
Dieses Gleichungssystem lässt sich durchaus noch "von Hand" lösen
(ist aber mühsam und natürlich fehleranfällig),
aber weil man die Auswertung der dann bekannten Funktionsverläufe
w(
r),
mr(
r) und
qr(
r)
ohnehin dem Computer übertragen wird, sollte man damit schon bei
der Lösung des Gleichungssystems für die Integrationskonstanten
beginnen. Es wird deshalb in Matrixform aufgeschrieben:
Auswertung mit Matlab
Das nachfolgend gelistete Matlab-Script baut das lineare
Gleichungssystem für die Berechnung der Integrationskonstanten
auf, löst es und berechnet mit den Ergebnissen die
Funktionen
w(r),
mr(r) und
qr(r),
die graphisch dargestellt werden:
% Kreisringplatte, konstante Flaechenlast, am Innenrand eingespannt
clear all
ri = 1000 ; ra = 3000 ; t = 30 ; E = 2.1e5 ; ny = 0.3 ; p0 = 0.004 ;
K = E*t^3/(12*(1-ny^2)) ;
A = [ 1 log(ri/ra) ri^2 ri^2*log(ri/ra) ;
0 1/ri 2*ri ri*(2*log(ri/ra)+1) ;
0 -(1-ny)/ra^2 2*(1+ny) 3+ny ;
0 0 0 4/ra ] ;
b = - [ ri^4 ; 4*ri^3 ; 4*(3+ny)*ra^2 ; 32*ra ] * p0/(64*K) ;
x = A \ b ; % Loesung des Gleichungssystems
C1 = x(1) ; C2 = x(2) ; C3 = x(3) ; C4 = x(4) ;
r = ri:(ra-ri)/100:ra ;
w = p0*r.^4/(64*K) + C1 + C2*log(r/ra) + C3*r.^2 + C4*r.^2.*log(r/ra) ;
mr = -K*((3+ny)*p0*r.^2/(16*K) - C2*(1-ny)./r.^2 + C3*2*(1+ny) + C4*(3+ny+2*(1+ny)*log(r/ra))) ;
qr = -K*(p0*r/(2*K) + C4*4./r) ;
subplot (3,1,1) ; plot (r , w) , axis ij , grid on , title ('w(r)') , xlim([0 ra])
subplot (3,1,2) ; plot (r , mr) , grid on , title ('m_r(r)') , xlim([0 ra])
subplot (3,1,3) ; plot (r , qr) , grid on , title ('q_r(r)') , xlim([0 ra])
disp(['Maximale Durchbiegung: w_max = ', num2str(max(w))]) ;
disp(['Maximales Biegemoment: mr_max = ', num2str(max(abs(mr)))]) ;
disp(['Maximale Querkraft: qr_max = ', num2str(max(abs(qr)))]) ;
Nebenstehend sieht man die Verläufe der Funktionen
w(r),
mr(r) und
qr(r),
die vom Matlab-Script gezeichnet wurden. In das
Command Window wurden die jeweiligen Maximalwerte
geschrieben:
Verifizieren der Ergebnisse
Mit folgenden Überlegungen können die Ergebnisse
bestätigt werden:
- Qualitativ: Die graphischen Darstellungen entsprechen den
Erwartungen. Die Verformung zeigt die Nullverschiebung und
die horizontale Tangente an der Einspannstelle, Biegemomentenverlauf
und Querkraftverlauf enden beim Wert Null am freien Rand.
Aber es sind auch quantitative Kontrollen möglich:
- Die Last p0 wirkt auf einer
Kreisringfläche, so dass ihre Resultierende berechnet werden kann.
Diese Kraft muss mit der Querkraft an der Einspannung,
die auf einem Kreis mit dem Radius
ri wirkt, im Gleichgewicht sein:
Das Gleichgewicht in vertikaler Richtung ist erfüllt.
- Die Absenkung am Außenrand kann mit der Absenkung am Rand
des eingespannten Biegeträgers mit konstanter Linienlast
verglichen werden (nebenstehende Skizze). Man kann sich den
Träger als schmalen Streifen vorstellen, der aus der
Platte herausgeschnitten wurde, z. B. mit der Breite
b = 1 mm und der Länge
l = ra −ri = 2000 mm. Dann hat die
konstante Linienlast die Intensität
q0 = p0·1 mm = 0,004 N/mm.
Der Querschnitt des Trägers ist ein Rechteck mit der Breite
b = 1 mm und der Höhe
t = 30 mm, das für die
Verformungsberechnung benötigte Flächenträgheitsmoment
berechnet sich nach
I = bt3/12 (siehe
Kapitel "Biegung"). Die Formel für die Absenkung des Trägerendes
findet man z. B. im Kapitel "Verformungen durch Biegemomente",
und man berechnet:
Das Ergebnis liegt sehr nah bei dem Wert, der für die Kreisringplatte
ermittelt wurde, und auch die Tendenz stimmt: Weil sich bei der Kreisringplatte
die Querdehnung nicht (wie beim Biegeträger) frei ausbilden kann,
ist die Platte steifer als der Biegeträger (das ist auch der
Grund dafür, dass es bei der Kreisringplatte noch ein zweites
Biegemoment gibt, worauf auf der Seite
"Rotationssymmetrische Kreis- und Kreisringplatten"
hingewiesen wird).
- Die beste Bestätigung findet man allerdings durch eine Rechnung mit
einem anderen Verfahren. Diese Aufgabe
wird auf der Seite
"Rotationssymmetrische Platten, Differenzenverfahren"
als Beispiel für diese Variante der numerischen Lösung demonstriert.
Die dort mit einer sehr feinen Diskretisierung gefundenen
Näherungslösungen
weichen von den hier berechneten
"exakten Lösungen" nur marginal ab.
Download
Das oben gelistete Matlab-Script steht als
Kreisringplatte.m zum Download zur Verfügung.