Beispiele: Analytische Lösung

Beispiel 1: Für die Bahnkurve eines Massenpunktes, der seine Bewegung in der Höhe h mit der Anfangsgeschwindigkeit v0 unter dem Winkel α beginnt ("Schiefer Wurf", siehe nebenstehende Skizze), erhält man bei Vernachlässigung des Luftwiderstands (vgl. Seite "Kartesische Koordinaten ↔ Parameterdarstellung") die Bahnkurve

Man ermittle die "Wurfweite" w allgemein und unter Verwendung der Zahlenwerte h = 2 m ; v0 = 14 m/s ; α = 45° ; g = 9,81 m/s2 (diese Werte entsprechen etwa den Spitzenleistungen bei Weltmeisterschaften im Kugelstoßen der Männer).

Die Bahnkurve ist eine quadratische Parabel ("Wurfparabel"), die gesuchte Wurfweite ist eine Nullstelle der Parabel, also eine Lösung der quadratischen Gleichung

Die Lösung kann mit der bekannten Formel für die quadratische Gleichung (siehe rechts) aufgeschrieben werden. Nach einigen elementaren Umformung erhält man:

Von den beiden Vorzeichen vor der Wurzel wurde nur das +-Zeichen verwendet, weil sich damit die gesuchte Wurfweite ergibt. Mit dem Minuszeichen wird die andere Nullstelle der Parabel beschrieben, die sich für negatives v0 ergeben würde und hier nicht interessiert.

Die Zahlenrechnung vereinfacht den Ausdruck schon erheblich, wenn nur für α der gegebene Wert eingesetzt wird. Man erhält schließlich:

Beispiel 2: Eine Masse m kann in einer vertikalen Führung reibungsfrei gleiten. Sie ist durch eine Feder (Federsteifigkeit c) gefesselt und nur durch ihr Eigengewicht belastet. Die entspannte Feder hat die Länge b. Gesucht ist die mit der Koordinate x zu beschreibende Gleichgewichtslage.

Die Schnittskizze zeigt die an der Masse angreifenden Kräfte. Die Federkraft Fc errechnet sich nach dem Federgesetz als Produkt der Federsteifigkeit c und der Verlängerung der Feder (aktuelle Länge − Länge der entspannten Feder):

Die Vertikalkomponente der Federkraft Fc cos α muss mit der Gewichtskraft mg im Gleichgewicht sein:

Nach Division durch mg und einigen elementaren Umformungen erhält man eine Gleichung in dimensionsloser Form:

Diese Gleichung ist zumindest einen Versuch wert, sie nach x aufzulösen. Multiplikation mit der Wurzel und Isolieren des Wurzelausdrucks auf einer Seite führt zu:

Quadrieren, Ausmultiplizieren und Ordnen ergibt eine Gleichung 4. Grades:

Nach Einsetzen der gegebenen Zahlenwerte sieht die Gleichung

zwar recht einfach aus, und man weiß auch, dass eine solche algebraische Gleichung bis maximal 4. Grades geschlossen lösbar ist, aber kein vernünftiger Mensch wird sich daran mit der Handrechnung versuchen. Einschlägige Mathematik-Programme liefern natürlich die Lösung. Im Internet findet man ein Java-Script, das die Lösung solcher Gleichungen mit Demonstration der Zwischenschritte ausführt. Man erhält vier reelle Lösungen:

x1 = −2,7609 ; x2 = −0,36220 ; x3 = 0,20326 ; x4 = 4,9198 .

Beim Auflösen einer Wurzelgleichung können sich beim Quadrieren Lösungen "einschleichen", die die Originalgleichung nicht erfüllen. Durch Einsetzen müsste man überprüfen, ob alle 4 aus der algebraischen Gleichung 4. Grades gewonnenen Lösungen auch die Orginalgleichung erfüllen.

Hier wird ein anderer Weg beschritten, der in jedem Fall bei Nullstellensuche gewählt werden sollte, die graphische Darstellung. Rechts sieht man die grafischen Darstellungen für die beiden Funktionen

Die Grafik wurde mit dem Programm "Funktionen analysieren" (zu finden unter TM-interaktiv) erzeugt. Man erkennt, dass die rot gezeichnete Funktion 4. Grades y2 die oben angegebenen vier reellen Nullstellen hat, die blau gezeichnete Originalfunktion y1 jedoch nur drei. Die Nullstelle x3 = 0,20326 erfüllt also die Originalgleichung nicht und muss aussortiert werden.

Das Programm, das hier zur grafischen Darstellung genutzt wurde, kann auch die Nullstellen (numerisch) berechnen. Das Ergebnis sieht man rechts.

Für Interessenten: Das behandelte mechanische System hat tatsächlich drei Gleichgewichtslagen. Die zur Lösung x4 = 4,9198 gehörige Lage mit einer auf Zug belasteten Feder sieht der in der Skizze zur Aufgabenstellung dargestellten Lage sehr ähnlich. Die zur Lösung x1 = −2,7609 gehörige Lage liegt oberhalb des Fixpunktes der Feder, und die Feder ist auf Druck beansprucht. Eine Sonderstellung wird durch die Lösung x2 = −0,36220 beschrieben: Die Feder ist sehr stark zusammengedrückt, so dass die Federkraft trotz des in dieser Stellung "ungünstigen Winkels" noch eine ausreichend große Vertikalkomponente erzeugt, die der Gewichtskraft der Masse das Gleichgewicht hält. Diese Gleichgewichtslage ist allerdings instabil, so dass eine beliebig kleine Abweichung aus dieser Lage zum Abwandern der Masse zu einer der beiden stabilen Gleichgewichtslagen führt.

Fazit: Selbst dann, wenn die Nullstellensuche analytisch möglich ist (bei praxisnahen Problemen selten genug), bringt dieser Weg in der Regel keine nennenswerten Vorteile. Bei algebraischen Gleichungen wie den hier demonstrierten Beispielen ist die analytische Lösung gelegentlich dann sinnvoll, wenn (wie im Beispiel 1) eine allgemeine Formel gewonnen werden kann oder aber auch eventuelle komplexe Lösungen von Interesse sind.